Gedanken zum Solo Reisen.

Triggerwarnung: In diesem Beitrag geht es um Depressionen und Burnout, die einigen Leser*innen beunruhigend finden könnten. Bei manchen Menschen können diese Themen negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall ist. Informationen und Ressourcen für Menschen, die an Depressionen oder Burnout leiden, sind verfügbar unter www.deutsche-depressionshilfe.de oder https://www.telefonseelsorge.de
Bin ich unfähig allein zu sein?
Es war der 13. Mai. 2021, Männertag und es regnete in Strömen. Da stand ich. Unfähig allein zu sein … frisch getrennt, meine Katze beim Sterben begleitet und gerade eingeschläfert, einen neuen Job begonnen, schlechte Diagnose beim Facharzt, Corona war noch sehr präsent und so einige zusätzliche Belastungen später stand ich da also vor der Hauptsparkasse sackte in mich zusammen und fing einfach bitterlich an zu weinen!
Meine beste Freundin war bei mir und fing mich auf. Sie ist der herzlichste Mensch, den ich kenne! Ich weiß nicht, was ich ohne Sie in dieser schweren Zeit gemacht hätte.
Nachdem ich mich gefangen hatte, meinte ich, es sei alles ok und ich fahre nun nach Hause.
Ich fuhr noch ein wenig mit dem Rad durch die menschenleere Stadt, bis ich wirklich irgendwann zu Hause war. Vor meinem Haus angekommen war es mir nicht möglich hineinzugehen. 1 h Stunde saß ich auf der Schwelle und konnte einfach nicht in meine eigene Wohnung. Was soll ich auch da oben? Da ist niemand, der auf mich wartet.
Irgendwann, als ich so richtig durchnässt war, ging ich hoch und schlief vorm TV beim DFB Pokalfinale ein. Am nächsten Tag wurde ich wach und wusste, ich muss etwas ändern!
Und das geht nur, indem ich mich meinen Ängsten stelle. Alleine sein und das irgendwo, wo ich nicht zu Hause bin. Ich fasste den Beschluss, wandern zu gehen.
Ich telefonierte mit meiner total verständnisvollen Chefin. Sie meinte: "Ich weiß, was du hast. Da musste ich selbst auch schon durch". Geh bitte zum Arzt und lass dich krankschreiben. Nimm dir Zeit für dich und komm wieder auf die Beine. Ich bin für dich da.
Ok also wandern....
Allein und zwar von Cottbus bis nach Königstein. Ich war vorher noch nie allein im Urlaub gewesen. Alle meine Liebsten machten sich große Sorgen, aber unterstützen mich schließlich in meinem Beschluss.
Ich hatte eine Woche zum planen und Unterkünfte buchen. So richtig blauäugig buchte ich Monteurzimmer oder einfache Unterkünfte ca. 20 km von einander entfernt.
Dann hieß es packen und Abschied nehmen. Ich hatte mich vorher noch belesen was ein Rucksack maximal wiegen sollte. 12kg mussten reichen. Das wog ich dann aufs Gramm ab und Sockenpaar für Sockenpaar blieb hier in Cottbus.
Dann ging ich los. Holla die Waldfee. Der Abschied von meinem Sohn fiel mir besonders schwer. Aber ich hatte mich nun mal dazu entschlossen und das ziehe ich jetzt auch durch, dachte ich.
Was mache ich hier eigentlich?
Die ersten Kilometer fragte ich mich nur, warum in Gottes Namen machst du das gerade? Wem willst du hier was beweisen? Was ist, wenn alle Recht haben und es doch gefährlich ist? Nach den ersten 4 Kilometern hatte ich mich bereits das erste Mal verlaufen. Ich hatte noch nie selbst navigiert beim wandern. Nun musste ich es lernen, um an meinem Ziel der sächsischen Schweiz anzukommen.
Die ersten Stunden redete ich viel mit mir selbst. Meist laut vor mir her, um mir die Angst im Wald zu nehmen. Es waren vor allem Fragen an mich selbst und Streitgespräche mit nicht Anwesenden. Nach ca. 5 h Stunden kam ich an der ersten Etappe an. Ich ass noch ein wenig und fiel dann todmüde ins Bett. Darüber hatte ich mir vorher tatsächliche Gedanken gemacht, ob ich allein in der Ferne schlafen könnte.
Am nächsten morgen tat mir alles weh! Ich hatte den Todesmuskelkater und meine Hüften waren blau vom Rucksack. Beste Voraussetzung für Tag zwei. :-) Ich schwang mich auf die Yogamatte und dehnte meine Hüften, um weiteren Schmerzen wegen meiner Hüftdysplasie vorzubeugen. Dann schnallte ich meinen Rucksack wieder auf und lief weiter. Ich ging oft über meine Grenzen. Wenn die Füße nicht mehr konnten, übernahm der Kopf und anders herum.
Wenn wir uns erst mal trauen, sind wir Menschen zu so viel mehr fähig, als wir denken.
Allein sein zu lernen war mein größter Schritt hin zu meiner persönlichen Freiheit.
Ein Teil meiner eigenen Emanzipation würde ich heute sagen. Ich erlebte auf meiner Reise sooo viele tolle Geschichten und lernte offene und herzliche Menschen kennen.
Denn wenn man alleine reist, sind die Menschen so viel aufgeschlossener und hilfsbereiter.

Was ich auf meiner Reise gelernt habe.
Ich kann das.
Ich kann allein sein.
Ich bin vielleicht allein. Aber nicht einsam.
Ich bin stärker als ich glaubte zu sein.
Ich bin mutig.
Wenn ich das geschafft habe, kann ich alles schaffen.
Wenn ich ein Mann wäre?
Hätte diese Reise ein Mann gemacht, dann wäre er vorher nicht mit so viel Ängsten oder Vorwürfen bombardiert worden. Die Menschen in meinem Umfeld haben sich große Sorgen um mich gemacht. Es ist für die Allgemeinheit immer noch ein großer Unterschied, ob du als Frau oder Mann allein wanderst oder auf Reisen gehst. Viele Frauen haben mir vor, während und nach meiner Reise gesagt „Ich könnte das nicht!“. So viele Menschen, vor allem aber Frauen, denken genau so von sich.
Du lässt dein Kind zwei Wochen alleine?
Zwei Wochen von seinem Kind getrennt sein. Welche Mutter macht das denn bitte? Eine Mutter, die nicht mehr kann. Eine Mutter, die körperlich oder mental am Ende ist. Mütter nehmen sich nicht frei, sondern plündern die Apotheke und weiter geht es. Bei Vätern ist es gesellschaftlich akzeptiert, wenn sie auf Geschäftsreisen oder beruflich viel unterwegs sind.
Ein Appell an euch Frauen, achtet auf eure Bedürfnisse und setzt für euch gesunde Prioritäten, bevor ihr nicht mehr könnt. Euren Kindern ist nicht geholfen, wenn ihr dauergestresst und ausgebrannt seid.
Der einzige Mensch, der dich legitimiert, bist du selbst.
Ich möchte dich bestärken und ermutigen, sich dem zu stellen. ALLEIN SEIN kann man lernen. Viele glauben, sie könnten es nicht und bleiben deshalb viel zu lange in toxischen oder gewalttätigen Beziehungen oder stecken zurück, wenn es um ihre Bedürfnisse geht.
Auch du kannst das! Du kannst ALLEIN sein mit DIR.
Ohne dass du dich permanent ablenkst mit arbeiten, fernseh gucken, aufräumen, putzen, kochen oder Party machen. Nimm dir eine Auszeit und verbringe wirklich wertvolle Zeit mit dir selbst! Ich wünsche dir viel Spaß mit dir!
Du denkst dich selbst zu kennen? Reise alleine und du erfährst das Gegenteil.
Mein positives Fazit des Alleinreisens:
Du hast niemanden, der dir Entscheidungen abnimmt, dir bei Verständigungsproblemen hilft oder für dich navigiert. Du kannst dich hinter niemandem verstecken. Du wirst dadurch selbstsicherer und stärkst dein Selbstbewusstsein.
Du kommst schneller in Kontakt mit anderen. Das habe ich oft gemerkt, als ich nicht mal um Hilfe gebeten hatte. Die Menschen sind aufgeschlossener und hilfsbereiter Alleinreisenden gegenüber. Das macht automatisch auch dich offener und aufgeschlossener.
Mann nimmt Situation viel intensiver wahr. Ohne Gespräche, das Schnaufen oder Atmen des anderen nimmt man die Umgebung ganz anders wahr oder läuft auch mal stundenlang, ohne ein Wort zu sagen. So verschreckt man keine Tiere und sieht oder erlebt viel mehr.
Du bist dein eigener Herr. Du machst Pause, wann und wo du willst. Isst wann und was du willst. Du bist für deinen Reisetag allein verantwortlich.
Du musst dich irgendwann mit dir und deinen Ängsten beschäftigen und sich ihnen stellen. Du musst deine Gedanken, Ängste und Dich selbst aushalten. Das ist eine wirkliche Herausforderung. Aber so wertvoll und lehrreich für dich.
Und noch zwei winzige Nachteile zum Schluss:
Einzelzimmer sind oft genauso preisintensiv wie Doppelzimmer
Um schöne Erinnerungsfotos musst du dich selbst kümmern. Aber auch das funktioniert ganz gut mit ein wenig Hilfe.

Reisen ist Yoga, denn...
Yoga ist Grenzen erweitern.
Yoga ist Arbeit an einem Selbst durch bewusst machen.
Yoga ist wertvolle Zeit für dich und deine Liebsten.
Yoga ist manchmal auch nur Stille.
Du möchtest auch die Kraft finden für dich einzustehen oder allein zu sein?
Auch hier kann die Yogatherapie eine große Stütze für dich sein.
Wenn ich auch dich auf deinem Weg unterstützen darf, melde dich gern bei mir. :-)
Sat Nam und herzliche Grüße gehen raus an dich.
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